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„Hinter den Bauernprotesten steht das Gefühl einer fehlenden gesellschaftlichen Wertschätzung der Landwirtschaft“

09.01.2024 - Der Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaftler Prof. Dr. Heiner Schanz im Interview zu den aktuellen Protesten deutscher Landwirt*innen.

Herr Schanz, derzeit protestieren viele Landwirt*innen gegen Subventionskürzungen. Was steckt dahinter?

Bislang erhielten landwirtschaftliche Betriebe durchschnittlich 2.900 Euro Agrardieselbeihilfe pro Jahr und waren außerdem von der Kfz-Steuer für Landwirtschaftsfahrzeuge befreit. Die von der Bundesregierung beschlossene – und inzwischen teilweise wieder zurückgenommene – Abschaffung dieser Subventionen würde im Durchschnitt etwa 3 bis 4 Prozent vom Gewinn ausmachen. Aber eben im Durchschnitt: einige Tausend Euro mehr oder weniger können für viele Betriebe schon einen deutlichen Unterschied machen, insbesondere für die kleineren Höfe.

"Finanzielle Unsicherheit, extrem hohe Arbeitsbelastung, wenig Freizeit und mangelndes Verständnis in der Gesellschaft"

Den Landwirt*innen geht es bei ihren Protesten aber nicht nur um das Finanzielle. Dahinter steht wohl vor allem das Gefühl einer fehlenden gesellschaftlichen Wertschätzung der Landwirtschaft insgesamt. Unsere Forschung hat gezeigt, dass viele Landwirt*innen neben finanzieller Unsicherheit auch unter einer extrem hohen Arbeitsbelastung, wenig Freizeit und einem mangelnden Verständnis in der Gesellschaft für ihre Arbeit leiden. Diese Leistungen werden von der Öffentlichkeit nicht anerkannt. Große Teile der Bevölkerung hängen vielmehr einem romantisch verklärten Bild von Landwirtschaft nach, das mit der harten und komplexen Realität der Bauern und Bäuerinnen wenig zu tun hat. Wie sehr sich Landwirtschaft verändert hat, wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Beispielsweise werden Landwirt*innen weiterhin als „bauernschlau“ verunglimpft, obwohl viele von ihnen inzwischen über einen hohen Ausbildungsgrad verfügen – unter den Jüngeren oft ein Hochschulabschluss. Und sie fühlen sich immer noch pauschal als „Bienenkiller“ gebrandmarkt, obwohl sie oft freiwillig ihre Pestizideinsätze minimieren, einen Fokus auf Bodengesundheit und Biodiversität legen und zur Landschaftspflege beitragen. Solche Abwertungen finden sich an vielen Stellen, bis hin zum Mobbing von Bauernkindern in der Schule.

Die Proteste haben sich also an den finanziellen Kürzungsvorhaben der Bundesregierung entzündet, werden aber von tieferliegenden Konflikten und Unzufriedenheiten befeuert. Die Bauern und Bäuerinnen haben nun einmal mehr das Gefühl, als Prügelknaben der Nation zu dienen. Bei den Sparmaßnahmen sollen sie als Erste herhalten, während andere Subventionen wie das Dienstwagenprivileg nicht angetastet werden. Ifo-Präsident Clemens Fuest hat darauf hingewiesen, dass Landwirte durch die von der Ampel-Koalition geplanten Einschnitte bei Subventionen „weit überproportional“ belastet werden. Man sollte das nicht auf die gesamtwirtschaftliche Leistung der Landwirtschaft beziehen, sondern auf ihre Bedeutung für die Erreichung von Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen sowie der Stabilisierung des ländlichen Raums und damit letztendlich auch der Gesellschaft.

In Ihrer Forschung und Lehre setzen Sie sich intensiv mit der Situation der deutschen Landwirt*innen auseinander. Wie sieht deren finanzielle Lage aus?

Das durchschnittliche Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe ist in den letzten Jahren nominal wie real deutlich gestiegen. Das liegt vor allem an besseren und faireren Erzeugerpreisen für Lebensmittel und einem Rückgang des Arbeitsaufwands, beispielsweise durch Technologisierung und Vergrößerung von Betrieben. Allerdings liegen die Betriebseinkommen verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen, z.B. Handel und Gewerbe, trotzdem noch auf einem niedrigen Niveau. Außerdem schwanken die Einkommen sehr stark über die Jahre, je nach Entwicklung der Verbraucherpreise. Die finanzielle Situation ist also derzeit besser geworden, aber weiterhin angespannt. Und die Planungssicherheit für notwendige Investitionen in die Zukunft, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels und gestiegener gesellschaftlicher Nachhaltigkeitserwartungen, bleibt herausfordernd.

Wichtig ist auch, dass es sich beim jüngsten Einkommenszuwachs um eine Durchschnittszahl handelt, hinter der sich erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben verstecken. Nicht jeder Betrieb profitiert gleichermaßen von der Einkommenssteigerung. Die jeweilige Größe des Hofs spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Fragen, ob der Hof im Haupt- oder Nebenerwerb geführt wird und um welche Betriebsart es sich handelt, ob also mit Dauerkulturen, Sonderkulturen, Grünland, Milchvieh oder im Mischbetrieb gearbeitet wird. Gerade die kleinen Betriebe stehen weiter unter großem Druck.

Was bedeuten die Subventionskürzungen für eine sichere und nachhaltige Lebensmittelversorgung in Deutschland?

Einerseits müssen wir anerkennen, dass die deutsche Landwirtschaft allein unsere Bevölkerung nicht ernähren kann. 2021 betrug der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse 38 Prozent, beim Obst waren es sogar nur 20 Prozent. Für die Versorgung braucht es daher internationale Märkte. Andererseits ist klar festzustellen, dass die Landwirtschaft in Deutschland eine zentrale Bedeutung für die Ernährungssicherheit der Bevölkerung hat. Das wurde nicht zuletzt in Pandemiezeiten deutlich, als Importe mancher Lebensmittel schwieriger wurden. Die Resilienz des Ernährungssystems zu stärken kann über die Sicherung von Gemeinwohlbelangen daher sogar als gesetzlicher Auftrag verstanden werden.

„Man muss diese ‚Subventionen aber nicht als Geschenke verstehen, sondern kann sie auch als Entlohnung der Landwirtschaft für wichtige Dienstleistungen interpretieren“

Aus Umwelt- und Nachhaltigkeitssicht noch entscheidender ist eine resiliente Landwirtschaft jedoch für Fragen der Ernährungssouveränität: Darunter wird das Recht aller Bürger bezeichnet, ihr eigenes Landwirtschafts- und Ernährungssystem zu definieren. Denn nur die Landwirtschaft, die in unserem Rechtsgebiet betrieben wird, können wir politisch ansteuern. Mit der finanziellen Unterstützung der Landwirtschaft erreichen wir also zwei Ziele: Wir halten die Landwirtschaft in Deutschland und wir gewinnen die Landwirtinnen und Landwirte als Partner beim Umwelt- und Biodiversitätsschutz. Die Direktzahlungen und Förderungen machen aktuell rund 40 Prozent des Einkommens der Betriebe aus und tragen zu deren Stabilisierung bei. Man muss diese „Subventionen“ aber nicht als Geschenke verstehen, sondern kann sie auch als „Entlohnung“ der Landwirtschaft für wichtige Dienstleistungen interpretieren, die sie erbringt – insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, die Erhaltung von Ökosystemen, die Landschafts- und Kulturpflege. Damit ist nicht gesagt, dass es nicht effektivere und effizientere Systeme der „Entlohnung“ als das heutige Flächenprämiensystem gibt. An der Argrardieselbeihilfe und der steuerlichen Befreiung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen anzusetzen, macht aber wenig Sinn.

 

Zum kompletten Interview mit Prof. Dr. Heiner Schanz hier klicken.

 

 

Wo Sharing Economy funktioniert - und wo nicht

02.01.2024 - Martin Ritter über Sharing Economy am Beispiel von Carsharing im Interview mit "netzwerk südbaden"

Geteilte Bilanz

Der Begriff Sharing Economy kursiert seit den Nullerjahren. Aber was ist Sharing Economy eigentlich? Versuch einer Definition. Zum Artikel aus netzwerk südbaden, Ausgabe Dezember 2023 hier klicken.

 

Mein Auto, dein Auto

Beim Thema Carsharing scheiden sich die Geister: Kann das Konzept wirklich die private Pkw-Nutzung in den Städten reduzieren oder sind die Effekte als nur gering einzustufen? Zum Artikel aus netzwerk südbaden, Ausgabe Dezember 2023 hier klicken.

 

 

Nachbericht zum Workshop "Instrumente zur Stärkung der nachhaltigen lokalen Ernährungswirtschaft"

09.09.2022 - Ernährung ist ein zentrales Handlungsfeld für nachhaltige und klimagerechte Städte und Gemeinden. Am 11. Juli 2022 kamen mehr als 40 Vertreter*innen aus Kommunen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft bei einem Workshop in Freiburg zusammen, um 15 Instrumente zur Stärkung der nachhaltigen Ernährungswirtschaft kennenzulernen und zu diskutieren. Der Workshop wurde gemeinsam vom Team des BMBF-geförderten Projektes WISSENS.KERNiG der Universität Freiburg, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, sowie dem Städtetag und dem Gemeindetag Baden-Württemberg durchgeführt.

 

Hohe Relevanz des Ernährungsthemas für Kommunen in Deutschland

Im Namen des Workshop-Teams begrüßte zunächst Professor Arnim Wiek die Teilnehmer*innen und zeigte auf, dass die nachhaltige Gestaltung des Ernährungssystems und der Ernährungswirtschaft angesichts der gegenwärtigen Krisen zu einem Kernauftrag der Kommunen werde. „Wie haben jedoch festgestellt, dass sich viele Kommunen fragen, wie Sie hier konkrete positive Beiträge leisten können“, so Professor Wiek über die Motivation für die Ausrichtung des Workshops. Das Ziel sei, genau hier die Kommunen zu unterstützen, und zwar durch das Vorstellen von konkreten kommunalen Instrumenten und praktischen Anwendungsbeispielen. Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, unterstützte in ihrem Grußwort diese Intention, indem sie betonte, dass Kommunen wenig Vorgaben, aber viel Handlungsspielräume hätten – und diese jetzt auch dringend nutzen sollten. Der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Alexander Handschuh, hob zudem hervor, dass es sich bei der Ernährung um eine wichtige kommunale Querschnittsaufgabe handle, deren Erfüllung durch geeignete Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebenen unterstützt werden müsse.

Die Rolle der Kommunen für die Stärkung der lokalen Ernährungswirtschaft

Dr. David Sipple, Koordinator des Projekts WISSENS.KERNiG und Ko-Leiter des Workshops, erklärte in seinem Einführungsvortrag, dass die Betriebe der lokalen Ernährungswirtschaft aufgrund ihrer Versorgungsrelevanz eine zentrale Einflussgröße für die nachhaltige Entwicklung des Ernährungssystems seien. Anschließend stellte er im Überblick die 15 Instrumente vor, welche Kommunen in Deutschland zur Verfügung stehen, um das Ernährungssystem über die Stärkung der lokalen Ernährungswirtschaft nachhaltig zu gestalten. Alle vorgestellten Instrumente werden bereits in einigen Kommunen in Deutschland angewendet, was die grundsätzliche Anwendbarkeit in anderen Kommunen verdeutlicht. Das Forschungsteam hat die Instrumente über die vergangenen 2 Jahre beforscht, beschrieben und anhand von Interviews mit Expert*innen validiert. Für den Workshop hat das Forschungsteam eine Reihe von diesen Expert*innen gewinnen können, ihre Erfahrungen mit kommunalen Akteur*innen zu teilen und Hilfestellungen für weitere Anwendungen anzubieten.

Vorstellung von Instrumenten durch Expert*innen

Sechs der vorgestellten Instrumente wurden anhand von praktischen Anwendungsbeispielen von eingeladenen Expert*innen in Vorträgen sowie in Workshop-Sessions vorgestellt. In Letzteren waren die Teilnehmer*innen eingeladen, die jeweiligen Instrumente auf ihren eigenen kommunalen Kontext zu übertragen und gemeinsam mit den Expert*innen und den anderen Teilnehmenden Anwendungsmöglichkeiten vor Ort zu diskutieren.

Zum Instrument „Betrieb von kommunalen Unternehmen (Eigenbetriebe)“ sprach Margot Behrens vom EAD Darmstadt. Das Instrument „Ko-Finanzierung von Betrieben“ wurde von Stefanie Kaiser und Johanna Gysin von den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Land (Schweiz) vorgestellt. Zum Instrument „Verpachtung kommunaler Liegenschaften“ referierte Ralf Demmerle vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland. Kerstin Siebenmorgen von der Stadt Freiburg behandelte das Instrument „Öffentliche Beschaffung“. Das Instrument „Kommunale Planungsaktivitäten“ wurde von Philipp Königer, Stadt München, vorgestellt. Und über das Instrument „Praktische Ernährungsbildung“ sprachen Hendrike Hellmann und Sacha Hübner vom Verein Acker.

Eine besonders relevant Perspektive vermittelte zudem der Vortrag von Sebastian Pomm, welcher einen umfassenden Überblick bot, wie die Stadt Leipzig eine ganze Anzahl der Instrumente kombiniert, um die nachhaltige lokale Ernährungswirtschaft zu stärken – und damit demonstriert, wie die Instrumente im Verbund Synergien erzeugen können.

Großes Interesse an den Instrumenten

Das behandelte Thema weckte vor, während und nach dem Workshop deutschlandweit großes Interesse bei Praktiker*innen aus Kommunen, aber auch seitens privatwirtschaftlicher, zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteur*innen. Zudem bestätigten die Teilnehmer*innen, dass die vermittelten Inhalte eine große Relevanz für ihre praktische Arbeit in der Verwaltung haben. Gerade der Netzwerkcharakter der Veranstaltung und die Möglichkeit von anderen Städten und Gemeinden direkt zu lernen, welche bereits positive Erfahrungen gesammelt haben, wurde seitens der Teilnehmer*innen als besonders positiv hervorgehoben. Es herrschte Einigkeit, dass die 15 Instrumente zentrale, praxisnahe Ansatzpunkte für Kommunen darstellen, um Nachhaltigkeit im Bereich der Lebensmittelversorgung zu fördern. Basierend auf den Workshop-Ergebnissen, insbesondere den Potenzialen und Herausforderungen bei der Anwendung der Instrumente, werden die Instrumente noch einmal überarbeitet und dann im Herbst in einer kostenfreien Publikation zugänglich gemacht.

 

Wenn Sie sich für weitere Beiträge des WISSENS.KERNiG-Projekts interessieren, können Sie unter diesem Link mehr erfahren.

 

 

Tagung: "Kommunen gestalten Ernährung – Neue Handlungsfelder nachhaltiger Kommunalentwicklung"

09.09.22 - Zum Thema kommunale Ernährungsgestaltung veranstalten der DStGB und die Universität Freiburg in Kooperation mit dem Bayerischen Gemeindetag und der Stadt Zirndorf eine Tagung. Sie findet am Dienstag, 27. September 2022 von 16:00 Uhr bis 18:30 Uhr in Zirndorf statt. Eingeladen sind Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen in Bayern. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos.

 

In ganz Europa werden rund ein Drittel der gesamten Umweltbelastungen durch Konsum und Produktion von Lebensmitteln verursacht. Damit ist ihr Anteil höher als der des Mobilitäts- oder Energiesektors. Die Ernährung vor Ort nachhaltiger zu gestalten, wird somit zu einer zentralen Zukunftsaufgabe. Für die nachhaltige Kommunalentwicklung ist das Thema Ernährung demnach ein wichtiger Baustein und bietet Kommunen zahlreiche neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Auf lokaler Ebene existieren in Deutschland bereits verschiedene Ansätze und Instrumente für die nachhaltige Gestaltung des Ernährungssystems, etwa in den Bereichen Beschaffung, Verpachtung oder dem Bereich der Entwicklungsplanung. Auch ganz praktische Fragen wie die Gestaltung der Verpflegung in Schulen und Kitas oder das Regionalmarketing spielen eine wichtige Rolle.

Bei der Veranstaltung in Zirndorf stellen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des Verbundforschungsprojekt WISSENS.KERNiG der Universität Freiburg, der Stadt Zirndorf, der Stadt Nürnberg und des Freistaates ihre Konzepte zu nachhaltiger Kommunalentwicklung vor. Alle Expertinnen und Experten stehen in einer Diskussionsrunde auch für konkrete Nachfragen zur Verfügung.

Bei Rückfragen wenden Sie sich beim Deutschen Städte- und Gemeindebund an Claudia Bienek (Mail: claudia.bienek@dstgb.de, Mobil: +49176-824 585 49)

Das Programm finden Sie unter diesem Link.

Anmeldungen zu dieser kostenfreien Veranstaltung sind unter folgendem Link möglich.

Tagungsort: Paul-Metz-Halle, Volkhardtstr. 33, 90513 Zirndorf

 

Wenn Sie sich für weitere Beiträge des WISSENS.KERNiG-Projekts interessieren, können Sie unter diesem Link mehr erfahren.